Sonntag, 8. Juli 2012

… a golden age, I know.


Was ist von der viel zitierten „Gemeinschaft junger Erwachsener, die sich kümmert“ übrig geblieben? In der Zeit, in der sich dieses Dokument geöffnet hat, ist mein Groll schon fast wieder verflogen und ich frage mich, was ich dir eigentlich erzählen wollte.  Dass ich dich vermisse, liest du lieber in meinen Tränen als in meinen Worten. Du hast mich nie enttäuscht – wie auch?
Ich habe meine Freunde und Mitschüler immer beneidet um ihre ewig sozial engagiert lächelnden Fratzen, ihre triefenden Abf-Bekundungen, die viele heiße Luft aus ihren Mündern, die schrecklich schicken Partys, auf denen sie sich „reinen Wein“ übereinander einschenkten und sich später (vor so viel Ehrlichkeit heulend ) in den Armen lagen. Ich kann nicht behaupten, dass mich das je mehr angewidert hat als heute.
Es entbrannte jüngst der allhalbjährliche Kampf um ein begrenztes Angebot von Studienplätzen. Ich wandte mich hilfesuchend an meine Freunde, die ähnliche Fächer oder an der gleichen Uni studieren wollten. Dies tat ich nicht gern – jedoch zwang mich das unübersichtliche Bewerbungsportal meiner Wunschfakultät dazu. Nach einer Hand voll fadenscheiniger, jedoch vor freundschaftlicher Verherrlichung triefender Antworten,  gab ich mich geschlagen und attestierte meinen Mitmenschen Unwissenheit, später Blödheit, um schlussendlich festzustellen, dass sie nach dem (mir nur zu gut bekannten) apres-moi-le-deluge-Prinzip gehandelt haben.
Die Frage nach Gründen erübrigt sich in meinem Fall. Ich bin nicht nett. Ich hasse andere Menschen und ganz besonders Mädchen. Ich kann ihre Diskussionen über die Nichtigkeiten des Lebens nicht ertragen (es sei denn, diese haben was mit Handtaschen, Weinernte oder Lady Gaga zutun). Ganz allgemein hatte ich nie wirklich Lust, was für meine Stufe zu tun, ertappte mich allerdings sowohl in der 12. als auch in der 13. Klasse dabei, diese Angewohnheit ab und an abzulegen. Was mich grübeln lässt, ist der Effekt meines Engagements.
Es ist schon irgendwie witzig, wenn man im Abi-Entlass-Gottesdienst sitzt, in die wichtig dreiblickenden Gesichter der für diese Farce verantwortlichen Komitee-Mitglieder schaut und feststellt, dass die angepriesene gemeinsame Zeit nur halb so geil war, wie besungen. Da wir schon mal dabei sind, sei versichert, dass ich kurz davor war, nach spitzen Gegenständen Ausschau zu halten, als der Hirte es irgendwie schaffte, einen Themenschwenker zu deinem Trauergottesdienst zu vollbringen!
In solchen Momenten denke ich gerne an unsere gute Zeit. Ich denke an Martins Geburtstage, an die Momente, in denen wir trotz Warnung feststellen mussten, dass die als „scharf“ ausgeschilderten Fleischbällchen tatsächlich hielten, was ihr Etikett versprach und wir versuchten, die drohende Verbrennung mit Lauras leckerem Dip abzuwenden, indem wir ihn löffelweise konsumierten. Ich denke an Ninos Geburtstag, den der Gastgeber als erster verließ und wir bereitwillig die rückstandslose Entsorgung der gerade gelieferten Pizza übernahmen und den gepflegten Rasen von den Spuren Ninos befreiten. Ich denke an dein verstörtes Gesicht, als wir zusammen die Stimbergstraße hinabwanderten und plötzlich vor einem Ladenlokal mit den wohl schwulsten Beistelltischchen und Ohrensesseln des ganzen Kreisgebiets standen. Ich denke besonders gern an unsere Kinobesuche und die Konzerte, die ich dir gern madig gemacht hab, weil niemand außer dir zu so bekloppter Musik tanzt… nein, nicht mal Nino! Auch nicht schlecht waren die Mathestunden, bei denen ich Jowi gern ans Messer geliefert habe oder die Pausen mit Laura, in denen wir uns schiefgelacht haben. Mir fehlen die wöchentlichen Fressstunden mit Jan, die Deutschstunden mit Kai und die Englischstunden mit Tim. Mir fehlen Peters Ausraster beim Sport, Pauls Zuspätkommen in Sowi, Svenjas Sprachkunststücke in fast jedem Fach und Vornhagens erfolgreiches Durchgreifen bezüglich Kais nerviger Schlafphasen in Mathe. Nie wieder kann ich mich mit Desi zoffen, versuchen, Kristina zu entmündigen, Kais Blauschatten kritisieren, Martin beim Apfelessen zugucken, Niko beim Denken zugucken, Tobi übersetzen, Eike verunstalten (obwohl…), Jo auslachen, Franzi mobben, Jan schlagen, Kai schlagen, Martin schlagen, Laura M. knuddeln, Laura V. her zitieren, Laura H. nicht ertragen… Hach, die Liste ist endlos.
Ist es nicht komisch, wie lange manche Dinge dauern? Und damit meine ich nicht die Korrekturzeiten der Englischarbeiten der 10a (ich weiß, ihr versteht, was ich meine ;))…
Es hat 2 Jahre gedauert, bis ich gemerkt habe, dass Henriette eher das Prädikat „coole Sau“ statt „arrogante Alte“ verdient hat. Es hat 5 Zettelchenwechsel gedauert, bis Alex mein vollstes Vertrauen genoss. Es hat 1 Jahr gedauert, bis Laena aufgehört hat, mir in den Haaren zu ziehen. Und es hat 3 Jahre gedauert, bis Jan endlich eine Frisur hatte. Nach einem Jahr hat Viktor das erste Mal gelächelt. Nach 2 Jahren hast du mir das Geschenk meines Lebens gemacht. Und vor 5 Monaten geriet mein Leben aus den Fugen.
Du fehlst mir von allen am meisten. Und du bist der einzige von ihnen, den kein Zufall zu mir zurückbringen kann.

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